Datengetriebenes Marketing hat aufgrund der „Cookiekalypse“ keine Zukunft?

Das lese ich in letzter Zeit immer häufiger, wahrscheinlich, weil die gänzliche Abschaltung der 3rd Party Cookies bevorsteht.

Aber das Thema ist ja nicht wirklich neu. Seit Jahren haben wir durch Firefox und Safari nur noch einen begrenzten Zugang zu 3rd Party Cookies. Seitdem hat sich viel getan. Es gibt spannende neue Ansätze, die durchaus ohne Cookies auskommen. Einige davon sind sogar gut mit der DSGVO vereinbar, die übrigens aus meiner Sicht einen viel größeren Impakt auf das datengetriebene Marketing hat, als die vollständige „Cookiekalypse“ es haben wird.

Der Wegfall der 3rd Party Cookies stellt sicherlich den ein oder anderen vor großen Herausforderungen. Vor allem für diejenigen, die sich in den letzten Jahren ehr zurückgelehnt haben. Fakt ist natürlich, dass Marketing auf Basis von Daten durch 3rd Party Cookies und den ganzen Datenanbieter da draußen sehr einfach war. Fakt ist aber auch, dass sich die Branche in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt hat. Aus der Not sind viele neue Chancen entstanden.

Die größte Chance ist aus meiner Sicht, dass Unternehmen jetzt wieder die Hoheit über ihre Daten gewinnen. Wer sich also frühzeitig mit seinen eigenen Daten und den Potenzialen beschäftigt hat, hat heute wahrscheinlich sogar einen Wettbewerbsvorteil. Das sind vor allem die Publisher, die schon früh begonnen haben 1st Party Daten für sich zu nutzen, um die Qualität ihrer Werbeinventare aufrechtzuerhalten. Aber auch werbungtreibende Unternehmen, die die Relevanz des eigenen Customer Relationship Management erkannt und ausgebaut haben, stehen heute besser da als andere. Damit sehen wir auch schon zwei zukunftsträchtige Methoden, die auch in Zukunft datengetriebenes Marketing ermöglichen.

Möglichkeiten für datengetriebenes Marketing ohne Cookies

Viele Methoden, die sich bisher durchgesetzt haben, sind gar nicht so neu, sondern erleben gerade eine Art Revival. Ganz vorn dabei ist das Thema kontextuelles Targeting. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Vor allem durch verbesserte Methoden und Algorithmen sowie der Verbindung mit 1st Party Daten ist das kontextuelle Targeting definitiv konkurrenzfähig gegenüber den 3rd Party Cookies geworden.

1st Party Daten sind somit ebenfalls ein guter Hebel, um auch in Zukunft Kampagnen mit entsprechendem Targeting auszusteuern. Viele unterschätzen leider noch die Macht und die Power von 1st Party Daten. Doch in jeder Webseite schlummert hier ein wahrer Schatz, der nur darauf wartet gehoben und aktiviert zu werden.

Eine weitere Möglichkeit ist das ganze Thema Identity. Personenbezogene Daten wie E-Mail-Adressen oder Telefonnummern sind vielleicht nicht für jeden verfügbar, haben aber aufgrund ihrer Persistenz einen deutlich höheren Wert für das datengetriebene Marketing als es Cookies jemals gehabt haben.

Es gibt sicher noch einige mehr spannende Möglichkeiten, über die man diskutieren kann, aber die drei genannten sind aus meiner Sicht im Moment die Relevantesten. Die ein oder andere Alternative ist auch nur eine Variation dieser.

kontextuelles Targeting als Alternative für datengetriebenes Marketing

Seit ich im digitalem Marketing arbeite, gibt es auch schon kontextuelles Targeting. Früher war es ehr einfach und stichwörterbasiert. Durch die Entwicklung von Behavioral Targeting ist das Thema dann für viele immer irrelevanter geworden. Doch seitdem hat sich sehr viel getan.

Die Algorithmen zur Texterkennung und Klassifizierung (z.B. durch Natural Language Processing) haben sich in den letzten Jahren enorm verbessert und kontextuelles Targeting ist nicht mehr nur in der Lage einzelne Stichwörter zu filtern, sondern einen ganzen Text in seiner Bedeutung zu klassifizieren. Das Maschinelle Lernen hat dem Ganzen also einen ordentlichen Schups nach vorn gegeben. Auch hilft künstliche Intelligenz dabei viel mehr Informationen aus einem Text zu extrahieren und somit bewährte Zielgruppensegmente aufzubauen.

Durch die Verbindung mit 1st Party Cookies, die uns ja noch erhalten bleiben, lassen sich Zielgruppen auch über den Kontext eines einzelnen Artikels hinaus bilden und für das Marketing nutzbar machen. Je besser das von Webseitenbetreibern umgesetzt wird, desto besser wird die Qualität und dementsprechend auch der Wert dieser Daten.

Ohne 1st Party Cookies lässt sich kontextuelles Targeting übrigens auch teils sehr DSGVO freundlich einsetzen, so dass eine Einwilligung nicht zwingend erforderlich sein muss, um Werbung auf dieser Basis auszuspielen.

1st Party Daten nutzen, um Nutzer zu qualifizieren

Nicht nur in Verbindung mit kontextuellem Targeting, sondern auch alleinstehend sind 1st Party Daten eine gute Alternative, um Nutzer auch in Zukunft zu qualifizieren.

Auf jeder Webseite hinterlassen die Nutzer eine Vielzahl von Spuren, die bereits heute genutzt werden, um Zielgruppen Segmente zu bilden. Diese Spuren bleiben uns auch in Zukunft erhalten. Sie können und sollten durch 1st Party Daten auch weiter genutzt werden.

Der 3rd Party Cookie machte es möglich all diese Spuren von unzähligen Webseiten zu sammeln und zu einem einheitlichen Profil zu verbinden. Das geht nach der Cookiekalypse natürlich so nicht mehr. Allerdings dürfen wir die Macht der 1st Party Cookies hier nicht unterschätzen.

Denn auch mit 1st Party Cookies lassen sich diese Spuren bzw. diese 1st Party Daten zu qualitativ hochwertigen Segmenten zusammenführen (natürlich die Einwilligung immer vorausgesetzt). Das funktioniert dann natürlich nur im eigenem Ökosystem. Auch hier gibt es bereits spannende Modelle auf Basis von künstlicher Intelligenz, die bereits mit wenig Informationen gute Vorhersagen treffen können. Da wird sich in den nächsten Jahren auch bestimmt noch das ein oder andere entwickeln, so dass wir durch Nutzersignale und 1st Party Daten auch in Zukunft hochwertige Daten für das Marketing zur Verfügung stellen können.

Identity als Premiumersatz für 3rd Party Cookies

Am nächsten dem Thema 3rd Party Cookies kommen wahrscheinlich persistente nutzerzentrierte Identifier heran. Bzw. sind diese Identifier sogar deutlich besser und performanter als 3rd Party Cookies.

Persistente nutzerzentrierte Identifier sind zum Beispiel die E-Mail-Adresse oder die Telefonnummer eines Nutzer. Sie können verwendet werden, um seitenübergreifend Profile zu erstellen und diese dann für ein datengetriebenes Marketing auf anderen Plattformen zu nutzen.

Voraussetzung ist aber immer, das der Nutzer zum Beispiel seine E-Mail-Adresse teilt und in den meisten Fällen auch mit seiner E-Mail-Adresse oder einem anderen persistenten Identifier eingeloggt sein muss. Nur wenn beide Seiten diesen Nutzer kennen, kann eine datengetrieben Kampagne ausgesteuert werden.

Dementsprechend ist das Thema Identity nicht wirklich für jeden geeignet. Teilweise lässt sich hier nur ein kleiner Teil der eigenen Daten nutzen, um auf Basis dieser Identifier ein Zielgruppentargeting zu ermöglichen, da nicht jeder Content im eingeloggten Zustand konsumiert wird. Es gibt also Unternehmen, die davon mehr oder weniger profitieren.

Steht datengetriebenes Marketing also vor dem aus?

Nein, ganz und gar nicht. Wir haben bereits heute schon gute Alternativen, die auch in Zukunft ein datengetriebenes Marketing ermöglichen.

Es wird allerdings nicht mehr so einfach sein, wie es vielleicht mal war. Dafür werden wir aus meiner Sicht in Zukunft mehr Qualität erreichen, wenn sich jeder einzelne mit seinen eigenen Daten beschäftigt und es nicht anderen Unternehmen überlässt. Und mal ganz ehrlich, die ein oder anderen Datenquellen, basierend auf 3rd Party Cookies, waren in der Vergangenheit auch nicht immer von hoher Qualität geprägt. Wenn man mehrere Methoden kombiniert, kommt bereits heute schon gut ohne 3rd Party Cookies voran. Daher mache ich mir mit den heutigen Methoden bzgl. der Qualität des datengetriebenen Marketings für die Zukunft keine Sorgen.

Natürlich sind da noch ein paar Wege zu gehen. Doch jeder muss jetzt für sich selbst schauen, welchen Teil er dafür bereit ist zu leisten, um auch in Zukunft durch Daten mehr Geld zu verdienen oder sein Marketing effizienter zu gestallten.

Wir sollten also nicht den Kopf in den Sand stecken und den 3rd Party Cookies hinterer trauern, sondern die Ärmel hochkrempeln und gemeinsam positiv in die Zukunft gehen. Vor allem um den großen Unternehmen wie Google, Meta und Co. entgegen zu treten, denn ehrlich gesagt, sind die leider wohl die größten Profiteure von der „Cookiekalypse“.